5 Minuten mit ... 04.01.2017

Fünf Minuten mit ... Dr. Raoul Klingner, Direktor Forschung der Fraunhofer Gesellschaft

Joseph von Fraunhofer, der Namensgeber einer der wichtigsten Forschungsgesellschaften Europas, wäre heuer 230 Jahre alt geworden. Die in Bayern beheimatete Fraunhofer wurde zwar erst 1949 gegründet, hat sich aber seitdem zur größten Organisation für angewandte Forschung in Europa entwickelt. Ihre zahlreichen Forschungsgruppen sind zudem stete Partner der bayerischen Industrie. Den runden Geburtstag des berühmten Wissenschaftlers nehmen wir uns zum Anlass, mit Herrn Dr. Raoul Klingner zu sprechen, der die Hauptabteilung Forschung der Fraunhofer Gesellschaft leitet.

Wie profitieren Unternehmen von einer Zusammenarbeit mit der Fraunhofer Gesellschaft?

Fraunhofer ist ein Netzwerk aus 69 Forschungsinstituten und –einrichtungen, das eine unglaubliche Fülle an Wissen und Erfahrung in der Umsetzung von Forschungsergebnissen in Innovationen darstellt. Es ist unsere Aufgabe, in enger Kooperation mit den Universitäten – jeder Fraunhofer Institutsleiter oder Institutsleiterin ist auch gleichzeitig Professor an der Universität – Wissen aus der Grundlagenforschung aufzunehmen, anwendungsorientiert weiterzuentwickeln und gemeinsam mit Unternehmen in Innovationen umzusetzen.

Unternehmen – egal ob Konzerne oder KMU – können von diesem Wissenspool im Rahmen von Kooperationen in öffentlich geförderten Projekten, finanziert durch Bund, Länder oder die EU profitieren. Oder in einem exklusiven Kontext für das Unternehmen erfolgskritische Entwicklungen direkt beauftragen und gemeinsam weiterentwickeln. Letztlich müssen sich die Fraunhofer Forscher bei solchen Aufträgen aus der Wirtschaft stets neu beweisen und auch „liefern“, sonst wird das Unternehmen nicht bereit sein, die Forschung zu Vollkosten zu bezahlen. Diese Auftragsforschung ist unser Kerngeschäft und die Unternehmen kommen zumeist wiederholt wieder. Kundenzufriedenheit ist für Fraunhofer ein sehr wichtiger Erfolgsindikator.

 

Wie müssen sich Unternehmen eine Zusammenarbeit vorstellen? Wie kommt eine Kooperation zustande und wie geht es dann weiter?

Oft bestehen wie gesagt schon langjährige Beziehungen zwischen Unternehmen und Fraunhofer Forschungsgruppen. Es entwickelt sich über die Jahre ein Vertrauensverhältnis, das es erst ermöglicht, in für die Unternehmen erfolgskritischen Bereichen zusammenzuarbeiten. Absolute Vertraulichkeit ist ein Grundprinzip in der Vertragsforschung. Es kommen aber auch natürlich ständig neue Kooperationen zu Stande, ob durch Kontakt auf Messen, Konferenzen oder indem Unternehmen in den Medien oder in Publikationen auf für sie interessante Forschungsergebnisse aufmerksam werden. Für größere Unternehmen entwickeln wir auch spezifische Formate, um unsere Ergebnisse und Forscher mit deren Bedarfen zusammenzubringen. Dafür muss man ins Gespräch kommen, denn oft sind die guten Ideen und relevante Kompetenzen nicht auf den ersten Blick zu erkennen.

Im Prinzip geht es dann ganz einfach und immer gleich weiter: man einigt sich auf das zu lösende Problem und legt die Details in einem Kooperationsvertrag nieder, mit konkreten Meilensteinen und Deliverables, die Fraunhofer dann hoffentlich zur Zufriedenheit des Kunden erfüllt. 

 

Welche erfolgreichen Kooperationen zwischen Wirtschaft und den verschiedenen Fraunhofer Instituten gab es bereits in Bayern?

Hier könnte man unzählige nennen und dann darf man es auch wieder nicht, weil viele Ergebnisse der Vertraulichkeit unterliegen. Fraunhofer arbeitet in Bayern mit zahlreichen der bekannten Unternehmen zusammen, von BMW bis Siemens oder MTU. Es müssen aber nicht immer die großen und bekannten sein: an einer weitgehend fettfreie Wurst hat das Fraunhofer IVV in Freising mit einem bayrischen Metzger gearbeitet – heute kann man diese bei der Supermarktkette Edeka kaufen.

 

Wir befinden uns in einer Zeit des Umbruchs: Industrie 4.0 und Internet of Things gewinnen immer mehr an Bedeutung. Inwiefern sind die verschiedenen Fraunhofer Institute und Projektgruppen an der Entwicklung dieser Technologiefelder beteiligt?

Sie haben Recht. Die deutsche Wirtschaft steht vor einem Strukturwandel mit durchaus offenem Ausgang. Vor allem die Digitalisierung, aber auch die Durchdringung der gesamten Industrie durch die Lebenswissenschaften, werden etablierte Wertschöpfungsprozesse grundlegend ändern. Die Wirtschaft ist dabei auf einen starken Partner aus der Forschung angewiesen, der sich heute mit technologischen Umbrüchen beschäftigt, die morgen für die Industrie relevant werden. Das ist der eigene Anspruch, den wir bei Fraunhofer an uns stellen und dem wir gerecht werden wollen.

In den Themengebieten Industrie 4.0 und IoT ist Fraunhofer und auch die bayrischen Fraunhofer Institute in der Tat sehr aktiv. Im Leistungszentrum Sichere vernetzte Systeme bündeln Fraunhofer AISEC (in Sachen Sicherheit der Systeme), Fraunhofer ESK (in Kommunikation und eingebetteten Systemen) und Fraunhofer EMFT (u.a. zugehörige Sensorik) hier unmittelbar ihre Kräfte mit der regionalen Wirtschaft und den Universitäten. Das Fraunhofer IIS in Erlangen ist ein weltweit beachteter Akteur für Kommunikationstechnologie für das Internet der Dinge – übrigens ein Begriff, den Fraunhofer schon vor über 10 Jahren im Logistik-Kontext geprägt hat.

Aber auch außerhalb Bayerns ist Fraunhofer in der Thematik aktiv und prägt mögliche Zukunftslösungen. Hinweisen möchte ich hier auf das Potential, das unserem Fraunhofer-Ansatz eines Industrial Data Space IDS inne wohnt. IDS verfolgt das Ziel, dass Unternehmen Daten sicher und unter Beibehalt der Souveränität und Hoheit austauschen können und so mit neuen Geschäftsmodellen auch in Zukunft auf Basis der eigenen Wertschöpfung erfolgreich sein zu können.

 

Wo verbringen Sie in München und Umgebung gerne Ihre Freizeit?

In meiner aktuellen Lebensphase verbringe ich die knappe Freizeit natürlich am liebsten mit der Familie, Frau und Kindern – am liebsten auch ohne großen Aufwand und Fahrerei im eigenen Garten. Das finden natürlich nicht immer alle so entspannend wie ich, daher suchen auch wir die vielen schönen Ecken im Oberland auf, wo ich aufgewachsen bin – da gibt es schon herrliche Ort der Ruhe und schönen Aussicht, ob auf die Berge oder von den Bergen runter.



Bayerns Wirtschaft ist lebendig – dazu tragen vor allem die Menschen, die hier arbeiten und leben, bei. In unserer Rubrik „5 Minuten mit …“ stellen wir jeden Monat eine interessante Persönlichkeit aus Wirtschaft und Forschung vor.