Hochschule 13.09.2017

Wie Adidas innovative Schuhe aus Spinnenfasern fertigt

Spiderman ist an der Entwicklung von Schuhen beteiligt? Das klingt erst einmal nach einer blühenden Fantasie – die aber schon Wirklichkeit geworden ist. Dr. Thomas Scheibel, auch Spiderman genannt, ist es gemeinsam mit seinem Team an der Universität Bayreuth gelungen, Spinnfäden künstlich herzustellen. Adidas hat mit diesen sogenannten Biosteel-Fasern nun einen innovativen Performance-Schuh geschaffen. Damit stehen Forscher und Unternehmen exemplarisch für einen wichtigen Forschungszweig in der Region.

Die Universität Bayreuth versteht sich seit ihrer Gründung als Innovationsmotor der Region Oberfranken – Grund genug für die DLD Campus, vor zwei Monaten hier ihren ersten Stopp einzulegen. Die Konferenz will gezielt Regionen und Universitäten mit ihren Besonderheiten abseits der großen Standorte in den Fokus rücken. Sie ist Teil der Digital Life Design (DLD), die sich als Plattform für Meinungsführer und Innovatoren aus aller Welt etabliert hat. Unter den rund 550 Teilnehmern befanden sich in diesem Jahr der Vice President Design von Adidas, Sam Hardy, und Prof. Dr. Thomas Scheibel von der Universität Bayreuth. Ihr Thema: Biofabrikation und die Entwicklung des ersten Performance-Schuhs aus Biosteel-Fasern, eine Nachbildung natürlicher Spinnenseide.

Biosteel-Fasern mit Superkräften


Der Prozess bis zur Marktreife hat insgesamt elf Jahre gedauert. Die von AMSilk in Planegg bei München hergestellten Fasern entstehen durch die Verwendung eines Rekombinants aus gentechnisch veränderten Bakterien, das auf dem Spinnenseidenprotein der europäischen Gartenkreuzspinne basiert. Der ursprüngliche Anreiz zur Entwicklung dieser Fasern war die Marktlücke einer naturbasierten und vollständig biologisch abbaubaren Hochleistungsfaser. Dr. Scheibel und sein Team haben diese nun mit der Entwicklung der Biosteel-Faser gefüllt. Ähnlich wie Spiderman verfügt auch die Spinnenseide über „Superkräfte“, denn sie ist nicht nur recyclebar und ressourcenschonend in der Herstellung, sie ist außerdem so elastisch wie Gummi und fünfmal so reißfest wie Stahl. Spinnenfasern gelten als die belastbarsten Fasern, die in der Natur vorkommen – kein Wunder also, dass sich die Superfaser in punkto Zugfestigkeit mit Stahl und Kevlar messen kann.

Auf Spidermans Spuren mit Adidas


Besonders Sportler können sich über die Material-Innovation freuen, denn das Biotech-Material findet unter anderem Anwendung in Sportschuhen von Adidas. Bereits im November 2016 präsentierte Adidas auf der Biofabricate-Konferenz in New York den weltweit ersten Performance-Schuh aus Biosteel-Fasern, einer Nachbildung natürlicher Seide. Mit diesen Fasern hat Adidas komplett neue Maßstäbe in Sachen Nachhaltigkeit und Funktionalität von Textilien gesetzt und sich so als erster Hersteller eines Schuhs aus nachgebildeter natürlicher Seide etabliert. Das Material ist 15 Prozent leichter als herkömmliche Synthetikfasern, weshalb sich die Materialien besonders für Laufschuhe gut eignen und so jeden Sprint ein wenig leichter machen. Auf der DLD Campus konnten die Teilnehmer bereits ein 3-D-gedrucktes Anschauungsexemplar des von Adidas entwickelten Prototyps eines Marathonschuhs unter die Lupe nehmen.

Universitäre Forschung mit direktem Draht zur Industrie


Das Thema Neue Materialien wird an der Universität Bayreuth übrigens nicht nur großgeschrieben, wenn Superhelden ins Spiel kommen. Das Profilfeld vereint mehr als 200 Wissenschaftler, die sich mit der Forschung und Entwicklung neuer Materialien und deren Anwendung befassen – von Kunststoffen über Metalle bis hin zu komplexen Multimaterialsystemen.
Als Schnittstelle zur Industrie dient dabei das öffentliche Forschungsinstitut Neue Materialien Bayreuth GmbH (NMB), dessen Fokus vor allem auf der Entwicklung innovativer Prozesstechnologien und polymeren Leichtbauelementen liegt. Direkt angegliedert an das Institut ist das Bayreuther Gründerzentrum, das Start-ups aus dem Sektor beim Markteintritt unterstützt. Bereits etablierte und international agierende Unternehmen finden hier ebenso Hilfe, wenn es beispielsweise um die Gründung einer Niederlassung oder die räumliche Auslagerung innovativer Bereiche geht. Die Unterstützung erfolgt darüber hinaus rein praktisch, denn die NMB verfügt über eine hochmoderne Anlagentechnik, die Untersuchungen sowohl im Industriemaßstab als auch im Labormaßstab ermöglicht. Der Technologietransfer von der Grundlagenforschung der Universität in die angewandte Entwicklung und industrielle Praxis ist damit sichergestellt.
Die enge Verzahnung zwischen Grundlagenforschung an der Universität und angewandter Entwicklung sowie industrieller Praxis macht den Standort führend im Bereich der Materialforschung – wer weiß, welchem Superheld demnächst noch Konkurrenz erwächst.