Healthcare 12.11.2018

KI in der Medizin - damit der Arzt mehr Zeit für den Patienten hat

Mit dem Medical Valley Nürnberg-Erlangen und dem BioTech-Cluster BioM in München hat Bayern zwei große Hotspots für Innovationen im Bereich der Künstlichen Intelligenz in der Medizin. Dort sind in jüngster Vergangenheit Anwendungen entstanden, sowohl für die Diagnose mittels Big Data und Deep Learning, als auch auf dem Feld der KI-gestützten Consumer-Apps. Und immer steht hinter zukunftsweisenden Entwicklungen made in Bavaria das starke Netzwerk der bayerischen Gründerzentren und Hubs.

Künstliche Intelligenz ist noch weit davon entfernt, autonom zu handeln oder zu entscheiden. Was Maschinen aber schon sehr gut können, ist, dem Menschen wiederkehrende, zeitaufwändige oder zu komplexe Aufgaben abzunehmen. In der Medizin, wo es oft um den Faktor Zeit oder die Verfügbarkeit von Kapazitäten geht, nimmt KI immer öfter einen entscheidenden Platz ein, um Ärzten ihre Arbeit zu erleichtern.

Vor allem in der bildgebenden Medizin (CT, PET, MRT) ist die Maschine ein unermüdliches Arbeitstier, wenn es um das Erfassen von Diagnoseparametern geht. Durch Deep Learning erarbeiten Computer zum Beispiel in wenigen Minuten die Frühdiagnose eines Gebärmutterkrebses. Selbst ein erfahrener Arzt braucht ungleich länger, um alle rund 2000 Parameter einzubeziehen.
Die andere Seite von KI sind der Zugriff und die Auswertung von riesigen Datenmengen. Berechnungen zufolge existieren aktuell 150 Exabyte an Gesundheitsdaten - das wären rund 15 Millionen aktueller Festplatten zu je 10 TB. Und diese Menge steigt mit jedem Jahr exponentiell an. Um diese Mengen noch erfassen und nutzen zu können, braucht es die Power von Machine Learning.
 

Künstliche bayerische Intelligenz


IBM hat schon 2015 mit seinem IBM Watson Innovation Center in München eine solche KI-Instanz geschaffen. Watson - benannt nach Thomas J. Watson, einem der ersten Präsidenten von IBM, hilft bei der Analyse von Krankenakten hinsichtlich seltener Krankheiten. Dabei erfasst das System 200 Millionen Textseiten in drei Sekunden. Das generelle Problem in diesem Bereich sind momentan sogenannte “unstrukturierte Daten”: Informationen, die Computer nicht “lesen” können, weil diese nicht im richtigen Format vorliegen.

Bei der Chimaera GmbH aus Erlangen durchforstet Künstliche Intelligenz ebenfalls große Datenmengen mittels Deep Learning. Dabei geht es hauptsächlich um 2D- oder 3D-Bildgebung in der Diagnose. Die KI hilft hier beim Erkennen und Klassifizieren von Erkrankungen. Während ein Computer also Bilddaten analysiert, kann sich ein Arzt um seine Patienten kümmern - die knappe Ressource Zeit wird effizienter eingesetzt.

Die Siemens Healthineers arbeiten mit Chimaera am Standort Erlangen zusammen. Das Siemens KI-System überwacht und optimiert beispielsweise die Lage eines Patienten im Computer-Tomograph (CT). Das erspart Zeit und eine unnötig hohe Strahlendosis, zum anderen wird so die Darstellung der CT-Bilder verbessert – der Arzt kann seine Diagnose sicherer stellen.

Beide Unternehmen stehen im Austausch mit dem Digital Health Hub. Eine Kooperative des Medical Valley EMN und des Nürnberger Zollhof Tech Incubator, die sich seit Mai 2017 um die Verknüpfung von Big Data und KI mit der medizinischen Prävention und Früherkennung bemüht: “Die Zusammenarbeit und Vernetzung an einem gemeinsamen Ort stellt den Nährboden für neue Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle dar.”
 

Kata, Kaia und Alberta - bayerische Helferinnen mit KI


Ebenfalls aus dem Medical Valley, genauer aus Nürnberg, kommt Alberta von der IT-Labs GmbH. Ein Unternehmen, das erst im August 2017 im Umfeld der dort angesiedelten Firmen gegründet wurde. Die Alberta-App ist das Frontend einer Versorgungsmanagement-Plattform für Außendienstler im Bereich Homecare. Alberta versammelt, gestützt durch KI, Terminierung, Patientenakten und Koordinierung von ärztlicher Versorgung auf einer Oberfläche. Auch hier ist das Ziel, die Zeit der Pflegekraft beim Patienten so effizient wie möglich zu nutzen.

Ähnlich formuliert es auch die Münchner Kaia Health Software GmbH. Sie wollen mit ihrer App einen “demokratisierten Zugang zu hochwertiger Therapie” schaffen. Kaia gibt es in zwei Ausführungen: als Therapie-App gegen chronische Rückenschmerzen und als App zur Rehabilitation und Linderung bei der Lungenkrankheit COPD. Künstliche Intelligenz unterstützt den Nutzer durch Motion-Tracking bei der Ausführung von Übungen. Lange Wartezeiten für einen Physiotherapeuten sind mit Kaia nicht zu erwarten.

Noch spezifischer in der Anwendung ist Kata. Diese App hilft Lungenkranken, effektiv zu inhalieren. Eine KI interpretiert das Verhalten des Nutzers, gibt Hinweise und erkennt Verschlechterungen im Gesundheitszustand. Die Anwendung ist noch in der Startphase und das Münchner Start-up Vision Health GmbH arbeitet auf die Markteinführung noch in 2018 hin. Als Tech-Partner hat sich das Unternehmen die etablierte R&D-Plattform Motius und die App-Entwickler von Next Munich ins Boot geholt. Hilfe bei ihrem Start haben Vision Health vom bayerischen Gründer-Netzwerk bestehend aus BioM, BayStartUP und dem Medical Valley EMN bekommen.

Erfahren Sie mehr über die App:

Die Munich School of Robotics and Machine Intelligence (MSRM) verfolgt einen breiteren Ansatz in der Anwendung von Künstlicher Intelligenz. In Kooperation mit Industrie und Start-ups im Münchner Cluster setzt sie auf drei Schwerpunkte:

  • „Zukunft der Gesundheit” – wie können ältere Menschen durch Robotik und Künstliche Intelligenz (Geriatronik) unterstützt werden?
  • „Zukunft der Arbeit“ – was können kollektiv lernende und sichere Roboterassistenten im Arbeitsablauf leisten?
  • „Zukunft der Mobilität“ – was können autonome Transportsysteme leisten?


Die MSRM wurde Ende 2017 gegründet und bildet unter dem Dach der Technischen Universität München ein Integratives Forschungszentrum. Ziel ist dort nichts weniger, als mit Partnern aus Industrie und Forschung die Region München zum europäischen Zentrum für Robotik und Maschinelle Intelligenz zu entwickeln.

Künstliche Intelligenz in der Medizin ist ein hervorragendes Beispiel für Cross-Industry-Innovation. Durch die Kombination verschiedener Technologien entstehen neue Innovationen. Dies zeigt auch das Münchener Start-up Inveox. Das Unternehmen entwickelt ein intelligentes Probengefäß für Biopsieproben, welches zusammen mit einer Automatisierungsplattform eine schnelle und sichere Verarbeitung der Proben im Labor ermöglicht. Mit seinen Produkten konnte Inveox auch die Jury der diesjährigen Bits & Pretzels Konferenz überzeugen und gewann den Hauptpreis, die goldene Brezel, sowie den Munich Startup Award.