Digitalwirtschaft 02.03.2017

Industrie 4.0 im bayerischen Mittelstand – Erfolgsbeispiel Maschinenfabrik Reinhausen

Was macht Unternehmen in Bayern erfolgreich? Neben den harten und weichen Standortfaktoren, bei denen der Freistaat punktet, ist es vor allem die Fähigkeit der hier ansässigen Firmen, digitale Transformationsprozesse zu erkennen und umzusetzen. Wir wollen wissen, wie genau das in der Praxis vonstattengeht und lassen die bayerischen Unternehmen daher in unserer Reihe zur Industrie 4.0 in Bayern selbst zu Wort kommen.

Nachdem wir bereits Einblicke in die Digitalstrategie beim Automobilzulieferer Schaeffler gewinnen konnten, zeigt uns diesen Monat Johann Hofmann, Leiter „ValueFacturing®“ bei der Maschinenfabrik Reinhausen GmbH, wie die Digitalisierung im Mittelstand funktioniert.

Die Maschinenfabrik Reinhausen produziert Laststufenschalter für Leistungstransformatoren und ist einer der besten Beweise dafür, dass auch kleine und mittlere Unternehmen das Potenzial der Digitalisierung für sich nutzbar machen können.

Industrie 4.0 ist in aller Munde – was konkret bedeutet die Digitalisierung für Ihre Branche?

Für viele Unternehmen bedeuten bereits papierlose Prozesse den Eintritt in das digitale Zeitalter. Die Digitale Transformation geht einen Schritt weiter, denn mit ihr ändert sich ein Prozess grundlegend und neue Geschäftsmodelle verdrängen ältere. Erst wird der Prozess papierlos (Digitalisierung), dann ändert sich der Prozess, weil nun Dinge möglich werden, die vorher nicht funktionierten.
Die Digitale Transformation erfordert zudem eine hohe Datenqualität in allen betroffenen Sub-Systemen. Damit die Digitale Transformation in der diskreten Fertigung gelingen kann, müssen zum einen im ERP-System alle Fertigungshilfsmittel gepflegt sein und zum anderen müssen alle Informationen digital und fehlerfrei in den vorgelagerten Systemen (Werkzeugdatenbank, NC-Datenbank, etc.) gepflegt sein. Papierunterlagen beziehungsweise Kopfwissen der Mitarbeiter verhindern Automatismen wie die Datenanreicherung und sind im Sinne von Industrie 4.0 nicht mehr zeitgemäß. Die Maschinenfabrik Reinhausen hat für ihre Strategie zur Smart Factory einen eigenen Geschäftsbereich ValueFacturing® eingerichtet. In diesem haben wir ein selbst entwickeltes Assistenzsystem stetig weiterentwickelt und verbessert, welches die intelligente Vernetzung aller am zerspanenden Fertigungsprozess beteiligten Anlagen, Systeme und Personen ermöglicht. Ziel dabei ist es, wesentliche Herausforderungen von Industrie 4.0 und die damit verbundenen Optimierungspotenziale umzusetzen.


Von welchen konkreten Vorteilen profitiert Ihr Industriezweig und Ihr Unternehmen im Speziellen von den Fortschritten in der Technologie?

Bei unserem eigenentwickelten Assistenzsystem sind keinerlei manuellen Dateneingaben erforderlich. Der große Vorteil von ValueFacturing® liegt in der bi-direktionalen Online-Kommunikation in Echtzeit mit allen am Fertigungsprozess beteiligten Maschinen, Anlagen, Systemen und Menschen sowie der Fähigkeit, Informationen intelligent anzureichern. Das Ergebnis: Die Fertigung wird wirtschaftlicher, prozesssicherer und transparenter. ValueFacturing® optimiert vor allem den Sortenwechsel (= Umrüsten der Maschinen). Ohne die Unterstützung eines Assistenzsystems würde der Fertigungsmitarbeiter bei diesem aufwändigen Vorgang zwangsläufig Zeit und Ressourcen verschwenden und suboptimale Entscheidungen treffen. Das System ist eine Datendrehscheibe und befähigt die Mitarbeiter, die Maschinen wesentlich effektiver und produktiver zu rüsten und zu betreiben.

Wie gehen Sie intern mit dem Wandel um und welche Verschiebungen gibt es in den Gewichtungen der einzelnen Abteilungen?

Der Wandel vollzieht sich vor allem in der digitalen Kompetenz. In der MR ist diese Situation allerdings stetig gewachsen, weil die Mitarbeiter von ValueFacturing® in ständigem Kontakt mit den Fertigungsmitarbeitern standen und stehen und dadurch die digitale Kompetenz tagtäglich transportieren. Bei unseren Kundenprojekten erleben wir allerdings gelegentlich, dass es an dieser Kompetenz mangelt. Zur Steigerung dieser bieten wir unseren Kunden an, einige Tage in der Hochleistungsfertigung der MR mitzuarbeiten. Durch den direkten Austausch mit unseren äußerst kompetenten Maschinenbedienern entsteht dadurch relativ schnell diese digitale Kompetenz.

Als eines der ersten mittelständischen Unternehmen, die sich mit Industrie 4.0 befasst haben – welche Erfahrungen haben Sie in den letzten Jahren gemacht?

Um in Deutschland konkurrenzfähig produzieren zu können, muss der Weg zur digitalen Fabrik in fast jedem Unternehmen eingeschlagen werden. Gerade kleine oder mittelständische Betriebe haben den großen Vorteil, schnelle Entscheidungen herbeiführen zu können. Es fehlt ihnen jedoch häufig der Mut, die Digitalisierung anzugehen. Es gibt aber keinen Grund dafür, weiter abzuwarten. Die deutschen Unternehmen müssen ihre Haltung ändern. Weg von der Zuschauerrolle hin zum Treiber. Mit Industrie 4.0-Technologien könnten wir in Deutschland ein zweites „digitales“ Wirtschaftswunder ermöglichen, und zwar dann, wenn Firmen sich zu Allianzen zusammenschließen und gemeinsam die Digitale Transformation bewältigen.

 

Innovativer Mittelstand in Bayern

Mittelstand und Industrie 4.0 – das Traditionsunternehmen Maschinenfabrik Reinhausen beweist, dass kleine und mittlere Unternehmen keinesfalls hinter den Big Playern zurückstehen, wenn es um das Thema Innovationskraft geht. Ganz im Gegenteil: Genau jetzt ist der richtige Zeitpunkt, die Märkte mit digitalen Konzepten zu erobern.