#bytevaria 11.07.2022

Fünf Minuten mit … Dr. Alejandro Mendoza García, Mitgründer von reFit Systems

reFit Systems legt den Fokus auf die Digitalisierung und Gamification medizinischer Prozesse. Das Unternehmen hat das Therapiesystem reFit Gamo entwickelt, das physiotherapeutische Übungen für Kinder mit Bewegungseinschränkungen in ein spannendes und lustiges Spielerlebnis verwandelt. Die Lösung kombiniert bewegungsgesteuerte Videospiele mit einer Software-Technologie, die digitale Therapieüberwachung, Biofeedback und automatische Auswertungen ermöglicht.

Die Geschäftsidee zu reFit Gamo wurde aus der Forschung heraus geboren. Wie hat alles begonnen?

Während meiner Promotion im Rahmen eines Forschungsprojekts in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Herzzentrum und der TU München konnte ich aus erster Hand erleben, mit welchen Schwierigkeiten Reha-Patienten zu kämpfen haben. Bei den meisten lässt die Motivation schnell nach. Stattdessen kommen Zweifel auf, ob die Übungen korrekt durchgeführt werden und ob sie überhaupt etwas bewirken. Solche Gefühle sind menschlich, führen jedoch häufig zu einem langsameren Genesungsprozess.

Gemeinsam mit meinem Mitgründer Valentin Koller brachten wir deshalb ein Forschungsprojekt auf den Weg, um Patienten durch sensorgestützte Videospiele zu motivieren, ihre Übungen zu machen, und gleichzeitig ihre Vitalparameter zu messen.  

Kurz darauf lernten wir den Kinderorthopäden Matthias Rüger kennen, der ebenfalls nach Lösungen suchte, um seine Patienten bei der Rehabilitation zu unterstützen. Matthias machte uns auf die schwierige Situation von Kindern aufmerksam, die durchgehend auf Physiotherapie angewiesen sind, und sensibilisierte uns auch für die familiäre Belastung.

Matthias, Valentin und ich beschlossen daraufhin, den Schwerpunkt unserer Arbeit darauf zu legen, diesen Kindern zu helfen: Die Idee zu reFit Systems war geboren.

Sie und Ihr Mitgründer Valentin Koller sind Forscher. Wie hat das bayerische Innovationsökosystem Ihnen geholfen, Ihre Idee marktfähig zu machen?

Valentin und ich wandten uns zunächst an UnternehmerTUM. So konnten wir an zahlreichen Workshops teilnehmen und uns mit anderen Start-ups vernetzen. Mit Unterstützung der TU München beantragten wir schließlich erfolgreich das EXIST-Gründungsstipendium des Bundesministeriums für Wirtschaft. Außerdem schlossen wir uns dem BayStartup Investorennetzwerk an. Darüber hinaus nahmen wir an verschiedenen Accelerators teil, zum Beispiel am ESA BIC zur Weiterentwicklung unserer Tracking-Technologie, am EIT Health Accelerator, wo man uns bei der medizinischen Zertifizierung unseres Produkts unterstützte, und am Insurtech Hub des Werk1, wo wir sehr hilfreiche Mentoren und Investoren kennenlernten.

Momentan haben wir unser Büro im Münchner Technologiezentrum (MTZ), einem tollen Standort für Start-ups. Im MTZ hat man täglich auf dem Flur, im Café oder auf der Terrasse die Gelegenheit, Unternehmer aus verschiedensten Bereichen zu treffen, Ideen auszutauschen und unterschiedliche Sichtweisen kennenzulernen.  

Als erstes digitales Therapiesystem für die Rehabilitation von Kindern ist reFit Gamo ein gutes Beispiel für branchenübergreifende Innovation. Welche Herausforderungen sind damit verbunden, ein digitales System in die Welt der Physiotherapie einzuführen?

Die Markteinführung von Medizinprodukten ist mit enorm hohen gesetzlichen und bürokratischen Hürden verbunden. Die Vorschriften und Anforderungen für die Zulassung von Medizinprodukten sind umständlich und komplex. Auch wenn unser erstes Produkt erfolgreich zertifiziert worden ist, müssen wir fortlaufend umfangreiche Compliance-Anforderungen erfüllen. Darüber hinaus müssen wir sicherstellen, dass gesetzliche und private Krankenkassen die Kosten für die Behandlung übernehmen. Bei diesen Themen haben wir das große Glück, von Medical Valley, einem Netzwerk für die digitale Medizin von morgen, und den Experten des Know-How-Transfer e.V. unterstützt zu werden.   

Eine weitere Herausforderung ergab sich aus der mangelnden Digitalisierung in der Physiotherapie, die zur Folge hatte, dass viele Physiotherapeuten befürchteten, durch unser Produkt ersetzt zu werden. Der vermehrte Einsatz von Technologien und digitalen Lösungen während der Pandemie hat jedoch dazu beigetragen, diese Bedenken teilweise auszuräumen. Inzwischen begrüßen Therapeuten die Unterstützung und Flexibilität, die sie durch Gamo bekommen. Bislang fiel das Feedback von Therapeuten, die mit unserem System arbeiten, überwältigend positiv aus.

Sie sind noch immer eng mit der TU München verbunden und weiterhin in der Forschung tätig. Inwiefern befruchtet das Ihr Unternehmen?

Tatsächlich setzen wir unsere enge Zusammenarbeit mit Münchner Hochschulen fort. Mit den Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) bauen wir gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Robotik, Künstliche Intelligenz und Echtzeitsysteme an der TUM (Prof. Alois Knoll) und dem Zentrum für Neuropädiatrie der Schön Kliniken Vogtareuth (Prof. Steffen Berweck) eine digitale Tracking-Bibliothek zur automatisierten Erkennung von Bewegungen bei Kindern mit Behinderungen auf. Mit Fördermitteln des bayerischen Wirtschaftsministeriums arbeiten wir gemeinsam mit dem Dr. von Haunersche Kinderspital (Dr. Sebastian Schröder) an einem Projekt, um reFit Gamo vom Krankenhaus zu den Patienten nach Hause zu bringen. Diese öffentlich finanzierten Forschungsprojekte mit Münchner Hochschulen versetzen uns in die Lage, den Fokus auf die Innovativität unserer Lösung zu legen, und verleihen uns sicherlich einen Wettbewerbsvorteil.

Außerdem wurden mehrere Aspekte unseres Produkts im Rahmen der Masterarbeiten herausragender Studierender weiterentwickelt oder verbessert und viele unserer derzeitigen Mitarbeiter sind Absolventen von Münchner Hochschulen.

Wenn man ein therapeutisches System für die Rehabilitation von Kindern entwickelt hat, ist auch die Zusammenarbeit mit Versicherungsunternehmen wichtig. Wie haben Plattformen wie die DIA Munich Ihnen dabei geholfen, entsprechende Kontakte zu knüpfen?  Und wie können solche Formate helfen, Ihr Unternehmen auch international aufzustellen?

Wir hatten das Glück, auf der DIA Munich als eines der meistversprechenden digitalen Start-ups anerkannt worden zu sein. Dadurch ist auch unser Bekanntheitsgrad in der Versicherungswirtschaft gestiegen.
Für das Wachstum von reFit ist es wie für andere Hersteller digitaler Gesundheitsanwendungen entscheidend, dass die Kosten für unser Produkt von den Krankenkassen übernommen werden. Dieser Prozess ist zwar weiterhin sehr lang und komplex, das Interesse der Versicherungswirtschaft steigt jedoch kontinuierlich und heutige Start-ups können Dinge erreichen, die früher für traditionelle, etablierte Unternehmen unmöglich gewesen wären.

Heute ist reFit das einzige zertifizierte Medizinprodukt auf dem Markt, das Kinder mit Bewegungseinschränkungen bei der Physiotherapie individuell unterstützt. Unser System wird derzeit deutschlandweit in mehreren Fachkliniken eingesetzt. Parallel zum kontinuierlichen Ausbau unseres Netzwerks aus Partnerkliniken arbeiten wir an der Entwicklung einer Heimlösung, mit der Kinder ihre Therapie auch zu Hause weiter „spielen“ können. Wir hoffen, dass das in nicht allzu ferner Zukunft mithilfe von Mobilgeräten möglich sein wird.


Es ist schwer vorstellbar, dass wir ohne die Unterstützung der verschiedenen Accelerators, Netzwerke, Plattformen, Hochschulen und öffentlichen Förderprogramme in Bayern und Deutschland so weit gekommen wären. Wir haben sehr hart gearbeitet, um an diesen Punkt zu gelangen, aber wir wissen auch, dass wir sehr viel Glück damit hatten, unsere Reise in München begonnen zu haben.



Ihr Unternehmen entwickelt Videospiele für therapeutische Zwecke. Spielen Sie selbst auch gerne?

Ich mag Videospiele. Noch mehr Spaß macht es mir aber, unsere Lösung weiterzuentwickeln, denn das erfordert die Interaktion von Spieleentwicklern, Programmierern, Therapeuten und Ärzten. Es gibt jedoch einige sehr leidenschaftliche Gamer in unserem Team und wir nehmen Fachgespräche über Videospiele sehr ernst. Vor der Pandemie trafen wir uns jeden Freitag zu einem Spieletag, um unser System zu testen – das hat sehr viel Spaß gemacht. Ich freue mich darauf, zurück ins Büro zu kommen und zu schauen, ob ich endlich mal eine Runde gewinnen kann!

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Unternehmen

reFit Systems GmbH

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Branche

Digitale Rehabilitationssysteme für Kinder

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In Bayern seit

2018

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Headquarter

München

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In Bayern vertreten mit

Hauptsitz

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Mehr erfahren unter

www.refit-systems.com