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Business Seminar für japanische Unternehmen in Bayern mit dem Journalisten Toru Kumagai „Work-Life-Balance - Deutschland / Japan im Vergleich“
Nach der erfolgreichen Ansiedlung japanischer Unternehmen in Bayern bleibt der Kontakt weiterhin eng. Schließlich wird der „After Care Service“ bei uns groß geschrieben. Wir sind weiterhin die Anlaufstelle für verschiedene Anliegen. Wenn die Unternehmen sich zum Beispiel mit der bayerischen Wirtschaft tiefer vernetzen möchten, können wir den Kontakt zu den Netzwerkpartnern in Bayern vermitteln. Oder wenn die Unternehmen sich nach einigen Jahren am Standort erweitern und Unterstützung bei der Standortsuche benötigen, sind wir für sie auch weiterhin der richtige Ansprechpartner. Unser Service ist selbstverständlich kostenlos.
Manchmal gibt es auch Fragen von japanischen Unternehmen zu den unterschiedlichsten Geschäftspraktiken in Deutschland im Vergleich zu Japan. Häufig werden wir gefragt, warum in Deutschland am Freitagnachmittag ab 14 Uhr kaum jemand mehr zu erreichen sei. Oder warum deutsche Mitarbeiter 30 Tage Urlaub im Jahr nehmen. Warum wird die Work-Life-Balance hier so groß geschrieben? Warum ist Deutschland trotz all dem eine große Wirtschaftsmacht?
Oder zugespitzt gesagt: „Weshalb läuft bei den Deutschen trotz 150 Tagen Freizeit im Jahr die Arbeit?“
Um diesen Fragen nachzugehen, fand in Zusammenarbeit mit dem Japanischen Generalkonsulat München, der Wirtschaftsförderung München und des Japan Clubs München – Mitokai ein Business-Seminar mit dem japanischen Journalisten Toru Kumagai im Bayerischen Wirtschaftsministerium statt. Herr Kumagai, geboren 1959 in Tokio, war früher Auslandskorrespondent der NHK (Nippon Hosou Kyokai - Japanische Rundfunkgesellschaft) und lebt seit 1990 in Deutschland. Als freier Journalist veröffentlichte er bereits zahlreiche Bücher über aktuelle Entwicklungen in Deutschland.
Im Ludwig-Erhard Festsaal des Bayerischen Wirtschaftsministeriums wurden Vertreter japanischer Unternehmen empfangen. Insgesamt waren rund 100 Teilnehmer anwesend und hörten gespannt zu, wie Herr Kumagai das Rätsel bezüglich der deutschen Arbeitshaltung Schritt für Schritt lüftet.
Nach einer Stunde Vortrag durch den Referenten wurde etwas Klarheit um das deutsche Phänomen geschaffen, warum Deutschland trotz kürzeren Arbeitszeiten als in Japan hohe Produktivität aufweist.
Laut Herrn Kumagai liegt der große Unterschied zwischen Deutschland und Japan darin, dass die deutschen Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag mit Rechtsbindung haben. Es sei ganz genau schwarz auf weiß festgelegt, welche Rechte und Pflichten sowohl der Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber haben. Gemäß Paragraph 3 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) darf bspw. die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Arbeit an Sonn- und Feiertagen ist gemäß Paragraph 9 ArbZG prinzipiell verboten. Bei Verstoß gegen das ArbZG entsteht eine Geldstrafe bis zu 15.000 Euro, die der verantwortliche Vorgesetzte aus eigener Tasche bezahlen muss.
Im Gegensatz dazu existiert in Japan kein Arbeitsvertrag mit klaren Regelungen. Der Betriebsrat, der die Arbeitnehmerinteressen vertritt, spielt eine große Rolle in Deutschland. In Japan dagegen fällt das kaum ins Gewicht.
Nicht nur das Fehlen von gesetzlichen Regelungen wirkt sich nachteilig auf die Arbeitnehmer in Japan aus, sondern auch der kulturelle Hintergrund der japanischen Gesellschaft trägt wesentlich dazu bei, die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer in Japan nicht zu verbessern.
In Japan muss der Ansprechpartner immer erreichbar sein
Als Beispiel wurde folgendes genannt: In Japan sei es sehr wichtig, dass der richtige Ansprechpartner für den Kunden immer da ist. Wenn der Kunde aber die Antwort erhält, dass der Ansprechpartner gerade im Urlaub ist und sich nicht um das Anliegen des Kunden kümmern kann, könne man davon ausgehen, dass die Firma dadurch die Wut des Kunden auf sich zieht und im schlimmsten Fall mit einer Kündigung des Auftrages rechnen muss.
In Deutschland dagegen wird die Arbeit nicht an eine konkrete Person, sondern an die Firma gebunden. Es gibt eine Vertretungsregelung und idealerweise ein Datenbanksystem, dass dem Vertreter im Falle der Abwesenheit des Kollegen – sei es durch Urlaub oder krankheitsbedingt - weiterhelfen kann. Abgesehen davon hat - im Gegensatz zu Japan - auch der Kunde in Deutschland Verständnis, wenn jemand wegen Urlaubs nicht erreichbar ist. Schließlich steht der eigene Jahresurlaub ja auch bevor oder man war selbst gerade irgendwo in der Weltgeschichte unterwegs. Vor diesem Hintergrund wartet der Kunde entweder geduldig bis der Ansprechpartner wieder da ist oder man gibt sich damit zufrieden, dass der Vertreter einem weiterhilft.
Der Fachkräftemangel führte auch zum Umdenken bei den Unternehmen, um den Kampf um gute Arbeitskräfte zu gewinnen. Deutsche Arbeitgeber legen vermehrt Wert auf Work Life Balance, da sonst der Erwerb von qualifiziertem Personal schwierig wird. Zu befürchten ist auch die Negativpresse durch die Medien, sollte eine schlechte Behandlung der Mitarbeiter ans Tageslicht kommen.
Fazit: Nach Einschätzung von Herrn Kumagai fehlt innerhalb der japanischen Gesellschaft der allgemeine Konsens darüber, dass der Urlaub heilig wie in Deutschland ist. Es würde nicht ausreichen, wenn nur eine Firma in Japan anfinge, ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern, damit die Mitarbeiter mehr vom Leben haben. Japan ist aber das Land der „Omotenashi-Kultur“. Das bedeutet, dass der Gast und der Kunde immer an erster Stelle stehen. Vor diesem Hintergrund sei es dahin gestellt, ob das "Arbeitsmodell Deutschland" in Japan Erfolg haben wird. Mit unserer Veranstaltung wollten wir japanische Unternehmen am Standort Bayern für die deutsche Sicht der Dinge sensibilisieren, warum die Deutschen trotz der „vielen Freizeit“ produktiv arbeiten.
Nach dem Seminar führten die Teilnehmer mit dem Referenten eine rege Diskussion. Das Ganze wurde durch einen Stehempfang mit bayerisch-japanischen Spezialitäten abgerundet.
Natürlich gibt es auch in Deutschland Ausnahmefälle und schwarze Schafe, aber insgesamt habe ich persönlich den Eindruck, dass meine Kollegen nicht nur Spaß an der Arbeit haben, sondern auch ihr Leben und ihre Freizeit sehr genießen.