Quantencomputing 06.06.2023

Von Bits zu Qbits: wie bayerische Unternehmen die Quantenwissenschaft und -technologie für sich nutzen

Die Quantenwissenschaft und -technologie (QST) hat das Potenzial, viele Bereiche unseres Lebens grundlegend zu verändern. Zahlreiche neue Anwendungen werden eine Menge neuer Geschäftsmöglichkeiten und Wachstumschancen eröffnen. Dazu gehören auch die Simulation innovativer Materialien im Energie- und Automobilsektor sowie die Lösung komplexer Optimierungsprobleme in der Logistik und der Finanzdienstleistungsbranche. QST wird die Bild- und Signalverarbeitung in der medizinischen und industriellen Röntgen-Computertomografie und natürlich auch Anwendungen der künstlichen Intelligenz und der Cybersicherheit verändern. Während die Entwicklung der Quanteninformatik rasant voranschreitet, steckt ihr Einsatz in industriellen Anwendungen noch in den Kinderschuhen. Die Kommerzialisierung dieser Technologie braucht Zeit. Allerdings sollten Unternehmen schon jetzt damit beginnen, die Grundlagen zu schaffen, um sich Wettbewerbsvorteile zu sichern.

Bayern ist fest entschlossen, ein weltweit führendes Zentrum der Quantenwissenschaft und -technologie zu werden. Hier ansässige Unternehmen arbeiten bereits heute mit Forschungseinrichtungen zusammen, um das Potenzial der QST für sich zu nutzen.

Einige Schlüsselprojekte und aktuelle Unternehmensinitiativen sind nachfolgend beispielhaft aufgeführt.

 

Quantencomputer für den Mittelstand (KMU) zugänglich machen
 

Viele bayerische Großunternehmen haben eigene QST-Forschungsabteilungen. Für mittelständische Unternehmen, die das Rückgrat der bayerischen Wirtschaft bilden, ist dies kaum möglich. Um diese Lücke zu schließen und die Technologie auch KMU zugänglich zu machen, gibt es in Bayern mehrere Initiativen.
Im Projekt PlanQK (Platform and Ecosystem for Quantum-Assisted Artificial Intelligence) etwa erforscht das Münchner Quantenanwendungs- und Forschungslabor (QAR-Lab) gemeinsam mit 19 Partnern Anwendungsfelder in deutschen KMU, die keine eigene Forschungsabteilung haben. Ziel des Projekts ist es, diese Unternehmen in die Lage zu versetzen, die Vorteile der Quantentechnologie schon in einem frühen Stadium für sich zu nutzen. Zu diesem Zweck stellt PlanQK eine leicht zugängliche Wissensplattform bereit, um über verfügbare Technologien und Expertenkontakte zu informieren und bei der Antragstellung zu unterstützen.
Die Erkennung und Vorhersage von Anomalien und Betrug im Finanzsektor sowie die Optimierung von Wartungsprozessen in der Industrie und im öffentlichen Verkehr sind Beispiele für Anwendungen der Quantentechnologie. Auch die Feinabstimmung von industriellen Produktionslinien und die Vernetzung bzw. Steuerung industrieller Komponenten gehören dazu.


Um Quantencomputing weithin einsetzbar zu machen, müssen die Grundlagen für eine einfachere und vertrauenswürdige Nutzung geschaffen werden – genau das ist das Ziel des Bayerischen Kompetenzzentrums für Quanten Security and Data Science. BayQS erforscht Softwareprobleme, die für das Quantencomputing relevant sind, und entwickelt Lösungen in den folgenden Bereichen:


•    Unterstützung der Industrie bei der Identifizierung von Quantenvorteilen bei praxisrelevanten Problemen


•    Minimierung der Risiken für das geistige Eigentum, die sich aus Forschungsergebnissen, die unter Verwendung der derzeit verfügbaren Quanten-Hardwareschnittstellen erzielt wurden, ergeben


•    Vereinfachung der Entwicklung von Quantenalgorithmen

 


Bahnbrechende Anwendungen in der Cybersicherheit
 

Quantencomputer haben das Potenzial, viele der gängigen kryptografischen Systeme zum Schutz sensibler Informationen in der heutigen digitalen Welt zu knacken. Quantencomputing kann aber auch genutzt werden, um sichere Verschlüsselungssysteme zu entwickeln, die Angriffen über klassische Rechner und Quantencomputer standhalten. Das Versprechen, sicherere kryptografische Systeme zu entwickeln, macht die Cybersicherheit zu einer Hauptanwendung für das Quantencomputing – was sich in vielen Forschungs- und Entwicklungsprojekten in Bayern widerspiegelt.

So bringt das Projekt MuQuaNet (Munich Quantum Network) die Universität der Bundeswehr München unter anderem mit dem Münchner IT-Sicherheitsexperten Rohde & Schwarz Cybersecurity zusammen. Ziel ist es, ein quantensicheres Kommunikationsnetz für die Forschung und Evaluierung zu entwickeln, aufzubauen und zu betreiben. Dieses soll auch anderen Forschungseinrichtungen und Behörden zur Verfügung gestellt werden.

Ein wichtiger Meilenstein von MuQuaNet, nämlich die Schaffung hochsicherer quantenresistenter Netzwerke, ist bereits erreicht. Das von Rohde & Schwarz Cybersecurity entwickelte Schlüsselmanagementsystem wurde jetzt erfolgreich getestet.

Experten auf der ganzen Welt arbeiten an vielen verschiedenen Aspekten der quantencomputersicheren Kryptografie. Aquorypt ist ein solches Gemeinschaftsprojekt in Bayern, an dem Giesecke+Devrient, Infineon, Siemens, das Fraunhofer-Institut für Angewandte und Integrierte Sicherheit sowie die Technischen Universitäten München und Darmstadt beteiligt sind. Das Projekt untersucht die Anwendbarkeit und Praktikabilität quantensicherer kryptografischer Methoden für eingebettete Systeme in der Industrie und für Chipkarten-basierte Sicherheitsanwendungen.

Giesecke+Devrient mit Hauptsitz in München ist ein weltweit tätiger Anbieter von Sicherheitstechnologien, der seine Expertise im Bereich eingebetteter Mikrosysteme in das Projekt einbringt. Neue kryptografische Verfahren auf Chips zu packen, ohne sie größer zu machen, ist dabei die größte Herausforderung. Fachleute sind der Ansicht, dass dieser Aufwand mit dem Versuch vergleichbar sei, „einen Elefanten auf eine Briefmarke zu stellen“.

Für alle, die gerade erst anfangen, bietet BayQS - Fraunhofer AISEC ein Cybersecurity Training Lab an. Vom Einsteiger, der das Quantencomputing kennenlernen möchte, bis hin zum Quantenexperten ist jeder willkommen. Für Führungskräfte werden Sensibilisierungstrainings angeboten, und für Neulinge im Quantencomputing gibt es Grundlagenseminare zum Einstieg in die Thematik sowie Vertiefungsseminare. Einzelne Herausforderungen oder spezifische Algorithmen können in Form von Inhouse-Workshops ausführlicher in Angriff genommen werden.

 

Ein Quantenvorsprung bei Finanzdienstleistungen
 

Klimawandel, Schwachstellen in der Lieferkette, Pandemien … – die komplexe Zusammensetzung von Risikofaktoren lässt sich zwar allgemein beschreiben, aber nur schwer quantifizieren. Versicherungsunternehmen müssen diesen Mix vorhersagen und verstehen, um sich gegen Risiken abzusichern und die Folgen für den Einzelnen abzumildern.

Deshalb erforscht ein Team von MunichRe seit 2020, wie Quantencomputer dabei helfen können, komplexe Schadenswahrscheinlichkeiten zu berechnen. Sie verwenden nicht nur historische Daten, sondern auch Simulationen, denn durch die Simulation von Zukunftsszenarien können sie potenzielle Verluste berechnen. Im Vergleich zu herkömmlichen Computern, die verschiedene Szenarien nur sequenziell (nacheinander) berechnen können, berücksichtigen Quantencomputer viele mögliche Szenarien gleichzeitig. Dadurch lässt sich die für ihre Lösung erforderliche Rechenzeit drastisch reduzieren.

Quantenwissenschaft und -technologie können es Versicherungsunternehmen also ermöglichen, Risiken besser zu verstehen und neue Produkte für Fälle, die bisher nicht versicherbar waren, anzubieten.

MunichRe ist eines von vier bayerischen Mitgliedern der QUTAC Application Group, zu der 13 führende deutsche Unternehmen gehören. Zu den Aufgaben von QUTAC zählen die Entwicklung eines sehr erfolgreichen deutschen QC-Ökosystems sowie die gemeinsame Identifizierung, Entwicklung, Prüfung und Nutzung von QC-Anwendungen.

 

Leistungsfähige Halbleiter
 

Eines der QUTAC-Projekte ist das von Infineon in München. Als Halbleiterhersteller ist Infineon extrem abhängig von zuverlässigen, globalen Lieferketten. Die Abstimmung von Nachfrage und Kapazität ist daher hochkomplex, klassische Computertechnologie kann das Optimierungsproblem bisher noch nicht annähernd lösen. Infineon ist jedoch der Ansicht, dass Quantencomputer eingesetzt werden könnten, um zumindest einen Teil der unzähligen und komplexen Herausforderungen zu lösen.

Insbesondere bei neuen Technologien ist dieser innovative Ansatz der Risikoberechnung wirklich vielversprechend. Die Möglichkeit, Cyberangriffe, IoT-Dienste und künstliche Intelligenz zu versichern, wird Unternehmen dazu ermutigen, Spitzentechnologien früher einzusetzen. Gleichzeitig werden potenzielle Risiken, die mit der Einführung dieser Technologien verbunden sind, vermieden oder abgedeckt.

 

Quantensprünge in der Gesundheitsversorgung
 

Bayern investiert massiv in die Biomedizintechnik zwecks Entwicklung modernster Verfahren zur Diagnose und Behandlung von Krankheiten und zur Kompensation körperlicher Behinderungen.

Ein Paradebeispiel ist das Munich Institute of Biomedical Engineering (MIBE) an der Technischen Universität München (TUM). Es fördert den Austausch zwischen Forschern und die Ausbildung in der Biomedizintechnik. Das MIBE kombiniert die Erkenntnisse und Ansätze verschiedener Disziplinen wie Medizin, Natur- und Ingenieurwissenschaften.

Die Nutzung der Quantentechnologie für bildgebende Verfahren in der Krebsmedizin ist eines ihrer aktuellen Kooperationsprojekte. Bisher war es in der klinischen Routine nicht möglich, den Stoffwechsel von Tumorzellen mithilfe der Magnetresonanztomografie (MRT) zu verfolgen. Ein interdisziplinäres Forschungsteam arbeitet jedoch daran, die Entwicklung eines quantenbasierten Hyperpolarisators voranzutreiben, der genau dies ermöglicht. Er soll in klinischen Anwendungen eingesetzt werden. Ziel ist eine deutliche Verbesserung der MRT-Bildgebung von Stoffwechselvorgängen zur früheren und genaueren Beurteilung von Tumoren und zur Verbesserung der Auswahl und Überwachung von Tumortherapien.

Das MIBE-Team arbeitet mit anderen deutschen Universitäten sowie mit Industriepartnern wie Siemens und Rapid Biomedical, einem der renommiertesten Spulenanbieter für die Magnetresonanzforschung mit Sitz in Unterfranken, zusammen.

Dies sind nur einige Beispiele dafür, wie mithilfe von QST neue Wachstumschancen in Bayern geschaffen werden.

 

 

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