Tradition 17.06.2020

Bier in Bayern – ein Überblick über die bayerische Braukunst

Was als Nationalgetränk der Deutschen gilt, ist in Bayern Grundnahrungsmittel – das Bier, auch „flüssiges Brot“ genannt. Kein Wunder, dass zu einem traditionellen bayerischen Weißwurstfrühstück, neben süßem Senf und einer Brezen, das Weißbier nicht fehlen darf. Laut bayerischer Volksweisheit muss dieses deftige Frühstück sogar vor 12 Uhr verzehrt werden, sonst bleibt einem der Zutritt zum Weißwurst-Himmel verwehrt. Wir gehen den Mythen rund ums bayerische Bier auf den Grund und beginnen mit dem hierzulande üblichen Trinkspruch: "Hopfen und Malz, Gott erhalt’s".

Die Bayern als Vorreiter deutscher Bierproduktion
 

Die Deutschen gelten zwar nicht als die Erfinder des Biers, doch durch das weltweit bekannte Oktoberfest in München, ist Bier eines der Markenzeichen Deutschlands schlechthin geworden. Der Freistaat nimmt dabei eine ganz besondere Rolle ein: Fast die Hälfte aller deutschen Brauereien befinden sich in Bayern. 647 Sudhäuser sind hier beheimatet. Somit besitzt der Freistaat die höchste Brauereidichte der ganzen Bundesrepublik, allen voran die Region Oberfranken. Mit 167 Brauereien zählt der Regierungsbezirk zur Bierregion Nr. 1, gefolgt von Oberbayern mit 136 und Schwaben mit 84 betriebenen Braustätten. 

Die kleine Gemeinde Aufseß im oberfränkischen Landkreis Bayreuth hat es mit der höchsten Brauerei-Dichte pro Einwohner sogar bis ins Guinness-Buch der Weltrekorde geschafft. Auf gerade einmal 1287 Einwohner kommen hier vier verschiedene Brauereien (Stand 2018). Sich bei dieser Konkurrenz halten zu können, beweist: Kein Bier schmeckt wie das andere. Bierliebhaber haben die Möglichkeit, die regional gebrauten Biersorten bei einer Bierwanderung entlang des Brauereienwegs rund um Aufseß zu probieren.

Anzahl der Brauereien in den sieben Regierungsbezirken des Freistaats

Zur Geschichte des Biers in Bayern
 

Die älteste noch bestehende Brauerei der Welt ist die Bayerische Staatsbrauerei Weihenstephan. Sie wurde vor über 1000 Jahren als Klosterbrauerei der Benediktiner im Jahr 1040 gegründet und befindet sich auf dem Weihenstephaner Berg in Freising, etwa 40 km von München entfernt. Umgeben von dem noch jungen Wissenschaftszentrum Weihenstephan der Technischen Universität München, entsteht so ein Zusammenspiel zwischen Tradition und Moderne. Wer sich für den allgemeinen Herstellungsprozess des Gerstensafts interessiert, der kann an einer der zahlreich angebotenen Brauereiführungen in ganz Bayern teilnehmen.  

Den Bayern sei Dank
 

Herzog Wilhelm dem IV. von Bayern und seinem Bruder Ludwig dem X. haben wir es zu verdanken, dass in Deutschland gebrautes Bier seit 1516 dem Bayerischen Reinheitsgebot unterliegt. Nach dem Reinheitsgebot gebraute Biere dürfen somit keine weiteren Zutaten enthalten als: 
 

  • Wasser
  • Malz
  • Hopfen
  • Hefe 
     

Die Bayerische Brautradition nach dem Reinheitsgebot wurde 2015 sogar zum immateriellen Kulturerbe des Freistaates erhoben.  „Die Auszeichnung unterstreicht, wie eng das Brauwesen mit der bayerischen Kultur und Tradition verknüpft ist“, so der Präsident des Bayerischen Brauerbundes Friedrich Düll. 
 

Durch innovative Sortenvielfalt zum Erfolg
 

Insgesamt 40 verschiedene Biersorten werden in Bayern hergestellt. Jedes vierte Bier in Deutschland wird hier gebraut. Ob Kellerbier, Lagerbier, Weißbier, Zoigl, Bockbier oder Bayerisches Pils. Jede Sorte hat dank unterschiedlicher Malzarten und Gärungsmethoden ihren ganz eigenen Geschmack. Eine Besonderheit in Bayern ist das Rauchbier, das aus Bamberg in Franken stammt. Indem das Malz über Buchenholz geräuchert wird, erhält das Bier einen ausgeprägten rauchigen Geschmack. 
 

Der neue Trend in Bayern und der Welt: Craft Beer 
 

Craft Beer bezeichnet Bierkreationen, die handwerklich und von einer unabhängigen Brauerei oder von Hobby-Brauern produziert werden. Mit mehr als 500 Malzsorten sowie über 200 Hefestämmen und Hopfensorten sind der Kreativität der Kombination hierbei keine Grenzen gesetzt. 
Geschmacklich lassen sich die intensiven Hopfenaromen als fruchtig, süßlich oder leicht bitter beschreiben, je nach Biersorte gepaart mit einer Kaffee-/Karamell-Note. Die wachsende Zahl der Bierläden, die sich hierzulande auf die exotische Erfrischung spezialisiert haben, beweist: Craft Beer in Bayern erfreut sich immer größerer Beliebtheit.

Welche Bierarten gibt es?
 

Grundsätzlich wird je nach verwendetem Hefestamm zwischen obergärigen und untergärigen Bierarten unterschieden. Obergärige Biere werden bei einer Raumtemperatur von 15 bis 20 Grad in offenen Braukesseln gebraut. Hierbei steigt die Hefe während des Brauvorgangs an die Oberfläche. Untergärige Biere hingegen brauchen kalte Gärkeller mit Temperaturen zwischen 4 bis 9 Grad. Die Hefe sammelt sich am Kesselboden und der Gärprozess findet im unteren Bereich der Braukessel statt.  
 

Obergäriges Bier in Bayern
 

Ein typisch bayerisches Bier ist das obergärige Weißbier. Da es mit Weizenmalz gebraut wird, ist der Name Weizen, abgekürzt für Weizenbier, in Bayern sowie im Rest von Deutschland ebenso geläufig. Geschmacklich lässt sich das Weizen als fruchtig und besonders erfrischend beschreiben. Die filtrierte Variante heißt Kristallweizen, die unfiltrierte und damit naturtrübe Variante wird als Hefeweizen bezeichnet. Besonders nachgefragte bayerische Weißbier-Sorten sind das helle oder dunkle Hefeweizen sowie die alkoholfreien und kalorienreduzierten Biere. 

Untergäriges Bier in Bayern
 

Das Helle gehört, neben dem Keller- oder Zwickelbier, zu den untergärigen Bieren.  Es wird auch Lager- oder Landbier genannt. Der Begriff Lagerbier ist auf das 16. Jahrhundert zurückzuführen. Da es damals noch keine ausreichenden Kühlmethoden gab, wurde das untergärige Bier im Winter gebraut, abgefüllt und gelagert. Geschmacklich sorgen die hellen Malzsorten für eine süßliche sowie malzige Note. Der Alkoholgehalt ist eher niedrig. Er liegt bei 4 bis 5 Prozent.

Die Tradition des Biergartens 
 

Um es länger haltbar zu machen, wurde untergäriges Bier mit einem höheren Alkoholgehalt, einer stärkeren Hopfung sowie einer höheren Stammwürze gebraut. Das Vollbier konnte somit im März eingelagert und bis zum Herbst ausgeschenkt werden. Dies ist auch der Grund dafür, dass das wohl bekannteste Lagerbier – das Oktoberfestbier – früher ein Märzen war. 

Um die Felsenkeller vor der Sommerhitze zu schützen, pflanzte man ausladende Kastanienbäume darauf. So entstanden die ersten Biergärten. Heutzutage sind Biergärten ein beliebter Aufenthaltsort – vor allem im Sommer. Einheimische treffen sich hier zu einem Feierabendbier und für Touristen ist ein Besuch im Biergarten mindestens genauso beliebt wie das Oktoberfest. Dank dem Bayerischen Biergartengesetz ist es im Freistaat seit dem 19. Jahrhundert außerdem erlaubt, die eigene Brotzeit mitzubringen.

Zu welchem Essen trinkt man Bier in Bayern?
 

Während die Schwaben den Gerstentrunk gerne zum Wurstsalat essen, bevorzugen die Oberbayern zu ihrer Maß Bier traditionell ein Hendl, also ein Hühnchen, oder eben eine bayerische Brotzeit mit:
 

  • Brezen
  • Radieschen
  • und Obatzda (eine bayerische Käsezubereitung).
     

Mit Bier kann außerdem auch super gekocht werden. Eine köstliche Bier-Spezialität aus Oberfranken ist zum Beispiel das Gericht „Krautspätzle mit Bamberger Bierzwiebeln“ oder der Schmankerl-Klassiker aus Nürnberg – „Lebkuchen-Kirsch-Dessert mit Dunkelbierschaum“
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Die bayerische Wirthauskultur
 

Neben Bierfesten und Biergärten ist die Wirtshauskultur in Bayern fest verankert. Sich am späten Vormittag zum sogenannten „Frühschoppen“ – einem geselligen Beisammensein im Wirtshaus – zu treffen, ist in Bayern durchaus üblich. Kein Wunder, dass der Pro-Kopf-Konsum an Bier in Bayern mit 130 -135 Litern pro Jahr deutlich über dem Bundesdurschnitt von 102 Litern (2018) liegt. Das Hofbräuhaus in München ist international eines der bekanntesten Wirtshäuser Bayerns. 

Bayerisches Bier ist Weltmeister
 

Als bestes dunkles Bier in Bayern und der Welt gilt das bernsteinfarbene „Barock Dunkel“ aus Weltenburg. Dreimal hat es bereits den Weltmeistertitel „World Beer Award“ gewonnen. Außerdem wird jedes Jahr neben der Fränkischen Weinkönigin auch eine Bierkönigin in Bayern gekrönt. Wer sich perfekt mit den verschiedenen Bier-, Hopfen- und Malzsorten sowie dem Brauprozess auskennt und sich gegen die Konkurrenz durchsetzt, darf ein Jahr lang Repräsentantin des bayerischen Kulturguts sein. Veronika Ettstaller, die 10. Bayerische Bierkönigin, hat es 2019 geschafft und durfte bei der Eröffnung des Oktoberfests sowie bei Terminen der bayerischen Vertretung der EU in Brüssel dabei sein.