5 Minuten mit ... 10.04.2017

5 Minuten mit Jürgen Wax, CEO der Josef Gartner GmbH

Die Josef Gartner GmbH hat ihren Sitz im knapp 8.000 Einwohner zählenden Gundelfingen an der Donau, begeistert aber mit seinen spektakulären Glasfassaden die ganze Welt. Zu den bekanntesten Projekten des Unternehmens zählen die erst im Januar eröffnete Elbphilharmonie, die BMW Welt in München oder der neue Apple Campus in Kalifornien. Herr Jürgen Wax wird uns mehr über den Erfolg des Mittelständlers erzählen.

Für das neue Wahrzeichen Hamburgs - die kürzlich eingeweihte  Elbphilharmonie - haben Sie das Spezialglas für die Fassade mitentwicklet und als Teil Ihrer Fassadenkonstruktion verbaut. Auch sonst haben Sie beim Bau beeindruckender Gebäude mitgewirkt. Was war Ihr spannendstes Projekt?

Die Liste der spannenden Projekte bei Gartner ist sehr lang. Zuletzt hat unser Unternehmen ein wirklich außerordentliches Projekt abgewickelt: das neue Headquarter für Apple in Cupertino, USA, welches dieses Jahr eröffnet. Noch nie zuvor hat Gartner eine Fassade in dieser Größe entwickelt und gefertigt. In unsere Fassadenelemente haben wir gebogene Gläser mit einer Größe von 3 x 15 m installiert. Außerdem haben wir für die Montage vor Ort eigene teils ferngesteuerte Systeme, Förderfahrzeuge und Kräne entwickelt, die die Installation der übergroßen Elemente ermöglichen. Der Ufo-förmige Campus hat letztlich einen Umfang von fast 1,6 Kilometern. So ein Projekt gibt es nicht alle Tage. Ich denke, für jeden bei Gartner war es nicht nur aus technischer Sicht, sondern auch im Hinblick darauf, dass Apple eine weltweit bekannte Marke ist, ein besonderes Projekt.

Wenn ich in der Firmengeschichte zurückgehe, fallen mir so viele Highlights ein. Da wir Unikate und kein Produkt von der Stange anbieten, ist jedes Projekt spannend für uns. Spontan denke ich an den Taipei 101 in Taiwan der von 2004 bis 2007 mit 508 Metern das höchste Gebäude der Welt war oder an die BMW-Welt in München. Die Elbphilharmonie gehört ganz aktuell sicherlich zu unseren öffentlich bekanntesten Projekten. Erst die Fassade verleiht diesem Wahrzeichen Hamburgs eine ganz besondere Optik. Gartner hat insgesamt 21.800 m² Fassadenfläche entwickelt und hier in Gundelfingen gefertigt. Jedes Element der Hauptfassade ist ein Unikat. Die Entwicklung der gebogenen Scheiben war für uns gemeinsam mit verschiedenen Glasherstellern und -verarbeitern eine große Herausforderung, die allein zwei Jahre in Anspruch genommen hat. Also auch ein Projekt der Superlative. Es ist uns am Ende gelungen, eine sichere und funktionstüchtige Fassade zu entwickeln, die genau den vorgegebenen architektonischen Anforderungen entspricht – das macht uns natürlich stolz.

Ihr Unternehmen feiert nächstes Jahr sein 150-jähriges Bestehen. Alles begann mit einem kleinen Schlossereibetrieb, heute ist die Josef Gartner GmbH Weltmarktführer im Bereich der Spitzentechnologie für Gebäudehüllen. Was waren die Meilensteine, die zu dieser bemerkenswerten Entwicklung geführt haben?

Gegründet wurde Gartner in Gundelfingen an der Donau im Jahr 1868. Damals natürlich noch als kleiner Handwerksbetrieb. Das Unternehmen war aber immer schon darauf bedacht, neue Wege zu gehen und sich auf Spezialanfertigungen zu konzentrieren.  Von Schlossereiarbeiten entwickelte sich Gartner so nach und nach weiter zum Anbieter von Toren, Schließsystem, Fenstern und letztlich Fassaden.  Da gab es zunächst keinen Meilenstein – es war eine stetige Entwicklung. Der erste große  geografische Sprung ist das Connaught Center in Hongkong, welches 1984 eröffnet wurde. Zuvor waren wir seit 1960 bereits international vor allem in London aktiv. Bis heute ist Großbritannien einer unserer wichtigsten Märkte. Seit Ende der 90er sind wir außerdem auch stark auf dem amerikanischen Markt vertreten.  2001 sind wir dann Teil der Permasteelisa Group geworden und somit auch Teil des weltweit größten Fassadenbauunternehmens.

Prägend waren in der Firmengeschichte immer unsere Innovationen. So hat Gartner 1968 die so genannte Integrierte Fassade patentieren lassen. Eine Außenhülle die neben den üblichen Funktionen einer Fassade wie Schall- und Wärmeschutz auch heizt und kühlt. Das Klimasystem ist dabei in die Profile und Pfosten der Fassade integriert. Zur damaligen Zeit war dies eine Weltneuheit.  

Ein weiterer technologischer Meilenstein ist die Zweite-Haut-Fassade.  Bei diesem System ist vor die eigentliche Fassade noch eine Prallscheibe vorgehängt. Neben einer ausgezeichneten Funktionalität hat dieser Fassadentyp den großen Vorteil, dass Flügel auch in den oberen Stockwerken von Hochhäusern betätigt werden können. Während es in den USA als normal betrachtet wird, dass Gebäude über Klimaanlagen gekühlt und beheizt werden, wird es in Europa als eher störend empfunden, wenn man keine Fenster öffnen kann.  Ab einer bestimmten Gebäudehöhe lassen es die Luftströme jedoch nicht mehr zu. Dank Zweiter-Haut-Fassade ist eine natürlich Belüftung auch in großen Höhen möglich. Die erste Zweite-Haut-Fassade wurde 1997 von uns am Commerzbank-Tower in Frankfurt am Main installiert.

Heute fokussieren wir uns besonders auf das Thema Nachhaltigkeit. Mit der Closed Cavitiy Façade (CCF), einer Weiterentwicklung der Zweiten – Haut – Fassade, haben wir einen Fassadentyp entwickelt, der für Wirtschaftlichkeit, Effizienz und Transparenz steht. Zwischen der Außen- und Innenfassade befindet sich ein vollständig verschlossener Raum, die Kavität, wodurch die Fassade äußerst energieeffizient ist. Die erste CCF haben wir 2010 für Roche in Rotkreuz (Schweiz) gebaut.

Über all die Zeit ist die Josef Gartner GmbH dem Standort Gundelfingen treu geblieben. Was ist das Besondere an dem schwäbischen Ort?


Zunächst sind wir Gundelfingen ganz einfach historisch verbunden, da es ja  Gründungsort des Unternehmens ist. Und auch Dr. Fritz Gartner, Mitglied der Gründerfamilie, lebt noch hier und ist außerdem auch Vorsitzender des Aufsichtsrates. Gundelfingen ist vielleicht keine Metropole wie München, liegt aber dennoch zentral zwischen Augsburg, München und Ulm, Stuttgart.

Wir haben hier vor Ort Knowhow-Träger, auf die wir nicht verzichten könnten. Die Mitarbeiter sind tief verwurzelt und loyal. Oft haben schon die Eltern und Großeltern bei Gartner gearbeitet. Mit unserer hauseigenen Ausbildung und Entwicklungsmöglichkeiten wollen wir das auch weiterhin vorantreiben. Wobei auch der Anteil der Mitarbeiter wächst, welcher extra für Gartner zugezogen ist.

Wir investieren jährlich hohe Summen in den Standort. Zuletzt haben wir knapp 2 Millionen in eine neue Fertigungslinie investiert. Auf unserem Werksgelände mit einer Größe von mehr als 220.000 m² befinden sich riesige Fertigungsflächen, auf denen unsere Fassaden sozusagen Made in Germany entstehen. Und im schwäbischen Raum finden wir auch weitere hidden champions wie uns, mit denen wir letztlich sei es als Lieferant, oder in Kooperation, in Beziehung stehen.

Ihr Unternehmen ist auf der ganzen Welt präsent. Erst letztes Jahr wurde das erste Bauprojekt in Südamerika fertiggestellt, die USA und Großbritannien gehören zu Ihren wichtigsten Absatzmärkten. Auch ihr Team ist international aufgestellt und weltweit vertreten. Wie gehen Sie mit dieser kulturellen Vielfalt um?


Wir sehen kulturelle Vielfalt als Bereicherung. Unseren Kunden  und auch allen anderen Geschäftspartner und Mitarbeitern treten wir alle gleichermaßen an unseren Unternehmenswerten orientiert gegenüber.  Einer unserer Werte ist „Work with Respect“ und zielt genau darauf ab. Mit Toleranz, Verständnis und Offenheit gegenüber anderen Kulturen haben wir es erst geschafft, so breit und international aufgestellt zu sein.  

Wie verbringen Sie gerne Ihre Freizeit in Gundelfingen und der Umgebung?

Ich selbst bin Niederbayer und dort verwurzelt, aber Gundelfingen und Schwaben sind wie Niederbayern quasi ein Musterbeispiel für Bayern: Ländliche Umgebung und trotzdem Nähe zu Metropolen und Infrastruktur. Bodenständige, herzliche Menschen und vielfältigste Freizeitmöglichkeiten.  Hier ist eigentlich alles möglich: Wasserski und Radfahren, Museumsbesuch in Ulm und Augsburg, oder zum Shoppen nach München und im Winter sind die Berge auch nicht weit entfernt.

 

Wir haben hier vor Ort Knowhow-Träger, auf die wir nicht verzichten könnten. Die Mitarbeiter sind tief verwurzelt und loyal. Oft haben schon die Eltern und Großeltern bei Gartner gearbeitet. Mit unserer hauseigenen Ausbildung und Entwicklungsmöglichkeiten wollen wir das auch weiterhin vorantreiben. Wobei auch der Anteil der Mitarbeiter wächst, welcher extra für Gartner zugezogen ist.

Bayerns Wirtschaft ist lebendig – dazu tragen vor allem die Menschen, die hier arbeiten und leben, bei. In unserer Rubrik „5 Minuten mit …“ stellen wir jeden Monat eine interessante Persönlichkeit aus Wirtschaft und Forschung vor.

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Unternehmen

Josef Gartner GmbH

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Branche

Fassadenkonstruktion

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In Bayern seit

1868

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Headquarter

Gundelfingen

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In Bayern vertreten mit

Hauptsitz