#bytevaria 29.08.2023

Wie die bayerische Automotive- und Halbleiterindustrie die Zukunft der Mobilität verändert: „Computer auf Rädern".

Als „Computer auf Rädern" werden die Autos der Zukunft von der Unternehmensberatung Roland Berger in einer Studie aus dem Jahr 2020 bezeichnet. In den meisten Fällen ist das schon heute der Fall. So werden Prozessoren immer mehr zum Herzstück des Autos und elektronische Hardware und Anwendungssoftware zum Differenzierungsmerkmal.

Als weltweit führender Automotive-Standort haben die bayerischen Hersteller und Zulieferer den Bedarf an elektronischer Rechenleistung längst erkannt und in den vergangenen Jahrzehnten enge Beziehungen zur Halbleiter- und Mikroelektronikindustrie aufgebaut. Elektrifizierung, Digitalisierung, Konnektivität und autonomes Fahren werden jedoch die Nachfrage nach elektronischen Komponenten weiter steigern. In Verbindung mit dem Bestreben nach robusteren Lieferketten ergeben sich daraus zukünftige Geschäftsmöglichkeiten für Halbleiterunternehmen in Bayern, insbesondere im Bereich des Chipdesigns. 

Um der steigenden Nachfrage gerecht zu werden und sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen, bilden sich neue Arten von Partnerschaften über Branchengrenzen hinweg. 

 

Anziehungspunkt – warum Bayerns weltbekannter Automotive-Standort auch wichtiger Standort für die Halbleiter- und Mikroelektronikindustrie ist 

 

Bayern gilt weltweit als das Automobilzentrum der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft. Marken wie Audi und BMW sind hier zu Hause. Auch in den Bereichen Elektromobilität, Connected Car und autonomes Fahren gehören die Automobilzulieferer aus Bayern zu den innovativsten der Welt. Aus der bayerischen Automobilindustrie kommen vier der zehn Unternehmen und Institutionen mit den meisten Patentanmeldungen im Jahr 2021. 

Auch die Halbleiterindustrie hat sich in der Region seit jeher gut entwickelt. 

In MÜNCHEN befindet sich zum Beispiel der Hauptsitz der Infineon Technologies AG, Deutschlands größtem Halbleiterhersteller, der auch im internationalen Spitzenfeld mitspielt. 

„Wir machen Autos sauber, sicher und intelligent.“ Dieses Versprechen kann Infineon der Automobilindustrie mit gutem Gewissen geben, denn das Unternehmen blickt auf eine 40-jährige Erfolgsgeschichte und bewährte Kompetenz als Lieferant von hochwertigen Halbleitern für elektronische Systeme zurück. Mit Sensoren, Mikrocontrollern und Leistungshalbleitern von Infineon können Automobilhersteller weltweit die Ziele Sicherheit, Erschwinglichkeit und Effizienz erreichen, die von Jahr zu Jahr anspruchsvoller werden. 

Neben Infineon sind in München zahlreiche Forschungs- und Entwicklungsniederlassungen internationaler Unternehmen ansässig. Dazu gehören Branchenriesen wie Nvidia, AMD, Apple, Samsung, arm und Intel. Aber auch andere namhafte Halbleiterhersteller haben sich in München angesiedelt und konzentrieren sich auf Forschung und Entwicklung. Wie NXP, STMicroelectronics, Micron, Qualcomm, Bosch Sensortec, Analog Devices und Renesas. Die Nähe zur Automobilindustrie ist ein wichtiger Grund für die Ansiedlung von Unternehmen. 

In FREISING betreibt Texas Instruments seit 1966 Halbleiterforschung, -entwicklung und -produktion. Die Produktionsstätte wurde im Jahr 2000 auf 200-mm-Wafer umgestellt und verfügt heute über rund 10.000 Quadratmeter Reinraumfläche. Darüber hinaus finden in Freising zahlreiche Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten in den Bereichen Chipdesign, Effizienz in der Produktion und Nachhaltigkeit statt.

Texas Instruments arbeitet eng mit der Automotive-Industrie zusammen, um Innovationen voranzutreiben und den Weg für eine Vielzahl von Herausforderungen in der Automobilentwicklung zu ebnen, von der Elektrifizierung bis hin zu Fahrerassistenztechnologien. 

In REGENSBURG produziert ams OSRAM in einem von Infineon betriebenen Werk Halbleiterprodukte. ams OSRAM ist ein führender Anbieter von optischen Lösungen im Automotive-Bereich. Das Unternehmen deckt die gesamte Produktpalette vom sichtbaren bis zum unsichtbaren Licht und Sensoranwendungen ab. 

NÜRNBERG ist Standort eines weltweit führenden Technologieherstellers in der Leistungselektronik: Semikron Danfoss. Das Familienunternehmen profitiert von seiner langjährigen Verbundenheit mit der Automotive-Industrie und verfügt über fundiertes Know-how und Erfahrung im Bereich der elektrischen Fahrzeugantriebe. Bereits Ende der 1990er Jahre produzierte SEMIKRON Umrichterantriebe für die allerersten Hybrid-Elektrofahrzeuge. Darüber hinaus ist SEMIKRON in den Bereichen Industrie- und Leichtelektrofahrzeuge (z. B. Gabelstapler und Motorräder) sowie LKW, Busse, schwere Nutzfahrzeuge und Ladestationen für Elektroautos aktiv. 

Darüber hinaus gibt es in ganz Bayern eine Vielzahl von Unternehmen, die weitere Teile der Wertschöpfungskette repräsentieren. Dazu zählen beispielsweise die Waferhersteller SiCrystal in Nürnberg, Siltronic in München oder der Halbleiterausrüster SÜSS MicroTec in Garching bei München. 

Diese und viele weitere Partner sind Mitglieder der Bavarian Chips Alliance. Im Herbst 2021 hat Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger das Bayerische Halbleiternetzwerk ins Leben gerufen. Ziel ist die Förderung der Branche und des Standorts Bayern durch die Stärkung der Lieferketten und die Förderung von Innovationen, vor allem im Automobilbereich. 

Wir haben das Potenzial, einer der führenden Chipstandorte in Deutschland zu werden, weil wir eine starke Industrie und Spitzenforschung haben.
Hubert Aiwanger,
Bayerischer Staatsminister für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie 

Forcierte Zusammenarbeit – wie die Automotive- und Halbleiterindustrie in Bayern ihre Kräfte für eine starke Zukunft mit Wettbewerbsvorteilen bündeln 

 

Sich ändernde technologische Anforderungen, die Notwendigkeit von Wettbewerbsvorteilen und kontinuierliche Innovation erfordern eine noch engere Zusammenarbeit zwischen der Automotive- und der Halbleiterindustrie. Darüber hinaus hat die Pandemie zu Lieferengpässen geführt und die Notwendigkeit von Nearshoring-Initiativen aufgezeigt, um die Lieferketten widerstandsfähiger zu machen, was entscheidend ist, um die Abhängigkeit von der Beschaffung in Übersee zu verringern. 

 

Abbildung 3. In der stetig wachsenden Kompetenzkarte (hier: Stand Mai 2023) wird das bayerische Ökosystem durch die Anzahl der Partner der Bavarian Chips Alliance an den verschiedenen Standorten innerhalb und außerhalb Bayerns dargestellt. Unter der Adresse Bayern Innovativ finden Sie eine interaktive Karte, auf der alle Partner namentlich aufgeführt sind.

Das Ergebnis sind neue Kooperationen und Beziehungen, die Chancen für beide Seiten eröffnen. 

So hat BMW im Jahr 2021 direkt mit den führenden Halbleiterunternehmen Inova Semiconductors und GlobalFoundries einen Vertrag abgeschlossen. Insgesamt geht es in diesem Fall für die intelligente LED-Technologie ISELED um mehrere Millionen Mikrochips pro Jahr. Verträge dieser Art sind in der Automotive-Industrie ungewöhnlich, da die Automobilhersteller in der Regel nur Verträge mit den Lieferanten von kompletten Komponenten abschließen. Der direkte Vertrag mit den Chip- und Halbleiterherstellern bietet beiden Seiten mehr Planungssicherheit. 

Die Zusammenarbeit von Audi mit Texas Instruments bei der bahnbrechenden digitalen Lichttechnologie ist ein gutes Beispiel für den Aufbau eines Wettbewerbsvorteils. Das Geheimnis hinter den digitalen Matrix-LED-Scheinwerfern ist ein so genannter DMD-Chip (Digital Micromirror Device) von Texas Instruments. Auf dem Chip, der kaum größer als ein Daumennagel ist, verbaut das US-Unternehmen nicht weniger als 1,3 Millionen winzige Spiegel. Mit Hilfe eines elektrostatischen Feldes lässt sich jeder von ihnen einzeln ansteuern und um bis zu 12 Grad kippen und das bis zu 5000 Mal pro Sekunde.
 

Chipdesign im Fokus – wie Partnerschaften in diesem wichtigen Teil der Wertschöpfungskette zum künftigen Erfolgsfaktor werden
 

Das Chipdesign wird in Zukunft immer mehr zu einem Schwerpunkt der Automobilindustrie. Deshalb steht dieser Teil der Wertschöpfungskette auch im Fokus der Bavarian Chips Alliance. 

Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger kommentiert: „Ein Großteil des Know-hows und ein wesentlicher Teil der Wertschöpfungskette liegt im Chipdesign. Unter Federführung des Fraunhofer-Instituts wird Bayern deshalb ein eigenes bayerisches Designzentrum aufbauen. Wer die Halbleiter der Zukunft entwirft und entwickelt, hat weltweiten Einfluss. Darin steckt natürlich auch ein großes wirtschaftliches Potenzial“ 

Vor diesem Hintergrund bauen der US-amerikanische Halbleiter-Champion Wolfspeed und der führende Automobilzulieferer ZF in der Nähe von Nürnberg ein neues Chipdesign-Zentrum. Ziel ist die Entwicklung und Weiterentwicklung von Halbleitern aus Siliziumkarbid für den Automotive-Sektor, andere Fahrzeughersteller und Ökostromanlagen. 

Für viele Automobilhersteller ist die Entwicklung eigener Chips mit so genannten „Fabless“-Unternehmen eine Schlüsselstrategie. 

Z. B. eröffnete ADTechnology seine erste internationale Niederlassung in Unterschleißheim bei München mit der tatkräftigen Unterstützung von Invest in Bavaria. Im Heimatland Südkorea ist das Unternehmen vor allem als größter Designlösungspartner von Samsung Foundry bekannt und war früher ein Partner der Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC).

  • Was versteht man unter einem Fabless-Unternehmen? minus
  • James E. Mister, Repräsentant von Invest in Bavaria in San Francisco, ergänzt: „Nicht nur wegen der Anwendungen in den Bereichen Telekommunikation und Edge Devices, Rechenzentren und jetzt auch Gen AI, sondern (vor allem) wegen des F&E-Ökosystems in den Bereichen Automotive, Mobilität und autonomes Fahren fühlen sich viele Chipdesign-Unternehmen von Deutschland und insbesondere von Bayern angezogen.“ 

    Ein weiterer sich abzeichnender Trend im Automobilbereich ist die Einführung von RISC-V. RISC-V (ausgesprochen „risk-five") ist eine Open-Source-Befehlssatzarchitektur (ISA), die es jedem ermöglicht, seine eigenen Prozessoren auf der Grundlage der RISC-V-Spezifikationen zu entwickeln und zu implementieren. 

    Die Einführung von RISC-V in der Automotive-Industrie bietet potentielle Vorteile wie Anpassung, Kosteneinsparungen und Innovation. Sie bringt jedoch auch Herausforderungen in Bezug auf die Reife des Ökosystems, Zertifizierung, Kooperabilität und Schutz des geistigen Eigentums mit sich. 

    Die Art und Weise, wie Automobilunternehmen und ihre Technologiepartner zusammenarbeiten, um zunehmend softwaredefinierte Fahrzeuge zu bauen, wird sich im Zuge der Bewältigung dieser Herausforderungen weiterentwickeln. Kooperationen und Partnerschaften werden eine entscheidende Rolle bei der Förderung des Wachstums spielen, darin sind sich alle Beteiligten einig. In Bayern bietet die Cross-Industry-Innovation zwischen Automotive- und Halbleiterindustrie heute und in Zukunft große Chancen für beide Seiten.

     

  • Wie Invest in Bavaria ausländische Unternehmen unterstützt minus